Wokeness, ein Begriff, der ursprünglich für die Sensibilisierung gegenüber Diskriminierung stand, hat sich zu einem polarisierenden Thema entwickelt. Die Psychologin Esther Bockwyt analysiert in ihrem Buch "Die Psychologie der Wokeness" die Hintergründe und Mechanismen dieser Bewegung und beleuchtet die psychologischen Muster, die dem "woken" Denken zugrunde liegen. Im Gespräch mit Prof. Rieck, einem Experten für Spieltheorie, diskutiert sie die Entstehung, Verbreitung und die potenziellen Gefahren dieser Ideologie.
Bockwyt definiert Wokeness zunächst anhand der Duden-Definition: ein hohes Maß an Wachsamkeit gegenüber Diskriminierungen, insbesondere rassistischer und sexistischer Art. Diese Definition an sich mag harmlos erscheinen, doch Bockwyt warnt, dass dieses hohe Ausmaß an Wachsamkeit bereits auf ein potentiell ungesundes psychologisches Phänomen hindeutet. Sie verweist auf die akademischen Ursprünge der Bewegung, insbesondere in den USA, wo die These verbreitet ist, westliche Gesellschaften seien strukturell rassistisch und diskriminierend aufgebaut. Diese Machtverhältnisse müssten radikal umgekehrt werden, so die Forderung der "Woken".
Verschwörungstheorien und Moralische Aggression
Prof. Rieck sieht in dieser Sichtweise Parallelen zu Verschwörungstheorien. Die Behauptung unsichtbarer, aber allgegenwärtiger Strukturen, die alles dominieren, ähnelt den Argumentationsmustern von Verschwörungserzählungen. Bockwyt stimmt zu und fügt hinzu, dass die "Woken", ähnlich wie Anhänger von Verschwörungsglauben, von der absoluten Wahrheit ihrer Theorie überzeugt sind und diese mit Aggressivität und Belehrungsdrang durchsetzen wollen. Sie beschreibt Wokeness als "Aggression mit moralischer Rechtfertigung", bei der ein Schutzmechanismus gegen die eigene Aggression ausgeschaltet wird. Diese Aggression zeige sich unter anderem in der "Cancel Culture", dem Boykott von Personen und Inhalten, die nicht mit dem "woken" Weltbild konform sind.
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Der Einfluss von Minderheiten und die Rolle der Medien
Obwohl die Zustimmung zu "woken" Ideen in der Gesamtbevölkerung gering ist, gelingt es der Bewegung, ihre Agenda durchzusetzen. Bockwyt erklärt diesen scheinbaren Widerspruch mit dem Konzept des "Minderheiteneinflusses": Wenn eine Minderheit ihre Inhalte konsistent und prominent platziert, kann dies zu kognitiven Konflikten in der Mehrheit führen. Die "Woken" nutzen moralische Themen, um diese Konflikte zu provozieren und so Einfluss auf die Mehrheitsgesellschaft auszuüben. Hinzu kommt die Unterstützung durch Medien und Institutionen, die "woke" Mantren als unumstößliche Wahrheit präsentieren und so zur Verbreitung der Ideologie beitragen.
Prof. Rieck ergänzt, dass der Organisationsgrad der "Woken" zu ihrem Erfolg beiträgt. Eine kleine, aber gut organisierte Gruppe kann einen starken Einfluss auf eine unorganisierte Masse ausüben.
Awareness Teams und die Opferhierarchie
Ein besonders beunruhigendes Beispiel für die Auswüchse der "woken" Ideologie sind die sogenannten "Awareness Teams". Ursprünglich auf Studentenpartys entstanden, sollen diese Teams auf Übergriffe, insbesondere sexueller Art, achten. Das Problem liegt laut Bockwyt in der extremen Ausweitung des Begriffs "Übergriff" und der damit einhergehenden Verschiebung der Deutungshoheit. Jeder Kontakt könne als Übergriff gewertet werden, und die Unschuldsvermutung werde zugunsten der vermeintlichen Opfer aufgehoben. Bockwyt kritisiert diese Entwicklung als "Planwirtschaft des Gefühls" und warnt vor den absurden Konsequenzen.
Prof. Rieck weist auf die inhärente Opferhierarchie innerhalb der "woken" Bewegung hin. Nur bestimmte, als benachteiligt definierte Gruppen genießen den Schutz und die Privilegien des "Opferstatus". Wer nicht in diese Kategorien passt, hat keinen Anspruch auf diese Sonderbehandlung.
Normschönheit, Geschlechtsneutrale Erziehung und die Verleugnung der Realität
Die "woke" Ideologie dekonstruiert nicht nur soziale Normen, sondern auch biologische Gegebenheiten. So wird beispielsweise das traditionelle Verständnis von Geschlecht als soziale Konstruktion abgelehnt und die geschlechtsneutrale Erziehung propagiert. Bockwyt berichtet von einem Extrembeispiel, bei dem ein Psychologe versuchte, ein Kind entgegen seinem biologischen Geschlecht zu erziehen, was in einem tragischen Suizid endete. Sie kritisiert die "völlige Abkoppelung von der Realität" und warnt vor den negativen Folgen dieser Ideologie für die kindliche Entwicklung.
Die Ablehnung von "Normschönheit" und die Forderung nach einer Umdefinierung von Schönheit zugunsten einer Gleichmacherei sind weitere Beispiele für die "woke" Verzerrung der Realität.
Toxische Positivität, Selbstzerstörung und Infantilisierung
Ein weiteres Merkmal der "woken" Bewegung ist die sogenannte "toxische Positivität". Bockwyt beschreibt die "woke" Weltsicht als durch und durch negativ und geprägt von der Suche nach Problemen und Ungerechtigkeiten. Alles, was einen positiven Blickwinkel auf die Welt einnimmt, wird als "toxisch" deklariert. Prof. Rieck beobachtet eine "Lust an der Selbstzerstörung" innerhalb der Bewegung, die politische Richtungen unterstützt, die zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen führen. Er stellt die Frage, ob es sich hierbei um eine Form der kognitiven Dissonanz handelt oder um einen bewussten Akt der Selbstzerstörung.
Bockwyt sieht in der "woken" Ideologie auch eine starke Infantilisierung. Der Wunsch nach Schutz vor jeglicher Kränkung, die Forderung nach sicheren Räumen und die Unfähigkeit, Ambivalenzen auszuhalten, sind Ausdruck eines kindlichen Denkens. Prof. Rieck ergänzt, dass die "Woken" die Verantwortung für ihr Handeln ablehnen und erwarten, dass andere die Konsequenzen ihrer unrealistischen Forderungen tragen.
Komplexitätseffekt und Blockadehaltung
Um ihre Theorien zu untermauern, bedienen sich die "Woken" des sogenannten "Komplexitätseffekts". Durch die Verwendung komplexer Sprache und wissenschaftlich klingender Begriffe versuchen sie, ihren Ideen einen Anschein von Seriosität zu verleihen. Prof. Rieck verweist auf die Parallelen zur Werbepsychologie, wo Komplexitätseffekte eingesetzt werden, um die Kaufbereitschaft zu erhöhen.
Im Umgang mit Kritik zeigen die "Woken" eine extreme Blockadehaltung. Jede Kritik, selbst in Form einer einfachen Frage, wird als Angriff gewertet und mit dem Abbruch des Kontakts geahndet. Bockwyt und Prof. Rieck sehen in dieser Unfähigkeit zum Diskurs eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und eine Bedrohung für eine offene und demokratische Gesellschaft.
Das Gespräch zwischen Esther Bockwyt und Prof. Rieck bietet eine umfassende Analyse der "woken" Bewegung und beleuchtet die psychologischen, sozialen und politischen Dimensionen dieses Phänomens. Es zeigt die Gefahren auf, die von dieser Ideologie für den Einzelnen und die Gesellschaft ausgehen, und regt zum kritischen Denken und zur Auseinandersetzung mit diesem Thema an.